Kirchengebäude Raußlitz

Die Geschichte der Kirche ist sehr unklar. Der Südost – Strebepfeiler des rechteckigen Saalbaues sowie das Südtor sind gotisch, der Bau weist aber sonst außer den Glocken keine älteren Spuren auf. Umbauten des Orgelchores von 1670 und 1715, eine Umgestaltung des Innern von 1768, sowie vereinzelte Ausbesserungen im 19. Jahrhundert sind bekannt. Der Bau ist außen schlicht, mit einer flachen Decke versehen, durch Leisten abgeteilt und von einer Empore umgeben (die zweite wurde 1961 aufgrund von Baufälligkeit entfernt).
Aus dem Dach wächst etwas gegen Westen gerückt, ein achteckiger Dachreiter empor. Der kehlig aufsteigende Helm wird von einer kürbisartigen Rundung in der Mitte durchbrochen. Die Wetterfahne ist bezeichnet 1756/1850, dazwischen die sächsischen Kurschwerter.
Als typisches Merkmal des reformierten Kirchenbaus in der Lommatzscher Pflege besitzt die Kirche einen Kanzelaltar. Der Unterbau ist aus Stein, der Aufbau aus Holz. Zwei korinthische Säulen waren mit kräftig vortretenden Blumengehängen und Ranken und stark ausgebildeten Voluten versehen, jetzt marmoriert. Die Kanzel baut sich in fünf Seiten des Achtecks vor. Die Färbung des Altars ist nach der Neugestaltung 2002 ebenfalls wie vor 1924 Weiß und Gold.
Seit 1998 fanden zahlreiche Renovierungsarbeiten in der Kirche statt. Die alten Anstriche von Wänden, Emporen, Decke, Orgel und Altar wurden zum Teil vollständig entfernt und die Farbgebung des 19. Jahrhunderts, geprägt von Weiß-, Gelb- und Goldtönen, wiederhergestellt. Zwei wiederentdeckte Deckenbilder wurden dabei freigelegt und ausgebessert.
Die alte Farbe der Orgel wurde vollständig abgetragen und die Originalbemalung (Strukturierte Bierbemalung) wieder freigelegt. Die gesamte Elektrik wurde erneuert, wobei neue Wandleuchten und ein Kronleuchter angeschafft wurden.
Die Orgel
Die 1889 vom Ostrauer Orgelbaumeister F. Keller geschaffene Orgel ist vermutlich die dritte in der Kirche Raußlitz. Ob die erste Orgel auf der Orgelempore platziert war, ist unwahrscheinlich, da eine solche erst bei der Kirchenrenovierung 1660 eingebaut wurde und nur einer sehr kleinen Orgel Platz geboten haben muss.
Vorher stand eine Orgel vermutlich im seitlichen Kirchenschiff. Bereits bei dem Einbau der nächsten Orgel (im Barockstil) 1714 musste die Orgelempore erweitert werden.
Die heutige Orgel von F. Keller wurde ursprünglich mit 12 Registern ausgestattet, was dem romantischen Klanggefühl nahe kam. Vor dem 2. Weltkrieg wurde dann auf Bestreben des damaligen Pfarrers Polster die Orgel um zwei Register erweitert und klanglich nach älterer, barocker Klangvorstellung umgestaltet. Sie besitzt etwa 900 Pfeifen, wobei die kleinste nur 7 Millimeter „groß“ ist.
In den vergangenen Jahrzehnten haben der Zahn der Zeit und die Holzschädlinge genagt, so dass das Instrument nur noch begrenzt einsetzbar war. Im Jahr 1999 fand eine Generalüberholung der Orgel durch die Firma Jehmlich, Dresden statt. Leider kam es während der Dachsanierung im Jahr 2020 zu einem Wasserschaden am Instrument. Nach einer längeren Trocknungs- und Restaurationsphase konnte die Orgel im Juli 2023 wieder Ihrer Bestimmung übergeben werden, dank der Firma Jehmlich hat sie ihren „bäuerlichen Charme“ wiedererhalten und kann zum Lob Gottes und zur Freude der Gemeinde neu erklingen.
Die Glocken
Unsere Glocken sind vermutlich im Zuge der letzten Restaurierung des Klosters Altzella unter Abt Martin von Lochau (1493 – 1522) beschafft worden. Im Zuge der Reformation wurde das Zisterzienserkloster aufgelöst und die Kirchenschätze durch Verfügung des Herzog Moritz von Sachsen aufgeteilt.
Vorstellbar ist, dass die Glocken bei dieser Aufteilung ca. 1540 nach Raußlitz kamen. Bis heute ist nicht ganz genau geklärt, wieso die Glocken nach Raußlitz kamen und ob sie überhaupt aus Altzella stammen. Raußlitz war zwar dem Kloster Altzella unterstellt, was aber keinen Grund für eine Schenkung der Glocken liefert. Fest steht, dass diese wertvollen Glocken nicht für den damalig bestehenden Wachturm gegossen worden sind.
Sicherer lässt sich aber sagen, dass die Glocken aus der Gießerwerkstatt der Familie Hilliger (bzw. Hillger oder Hillinger) aus Freiberg stammen. Während des ersten Weltkrieges gewann die Bronze der Glocken an militärischem Wert, man konnte sie problemlos einschmelzen und daraus Kanonen gießen. So ging nationales Militärinteresse über Gotteslob.
Man erfand die Einteilung in A – , B – , C – und D – Glocken und schmolz zwischen 1914 und 1918 etwa 65.000 Glocken ein. Während die meisten Glocken zur Metallverwertung abgegeben werden mussten, verblieben die Raußlitzer Glocken der Gemeinde.
- A – Glocke: nach 1860 gegossen
- B – und C – Glocke: „historisch und künstlerisch wertvoll“
- D – Glocke: „von ganz überragendem geschichtlichem oder künstlerischem Wert“
Auch im Zweiten Weltkrieg mussten auf Erlass der Reichsstelle für Metalle vom 15. März 1940 Glocken abgegeben werden. Dabei wurden die mittlere und die kleine Glocke in die Kategorie C und die große Glocke in die Kategorie D eingeordnet und gleichzeitig von der Ablieferung freigestellt. Aufgrund des hohen Aufwandes der Glockenabnahme wurde dem Kirchenvorstand durch Architekten und die Kreishandwerkschaft bestätigt, dass die dadurch anfallenden Kosten nicht im Verhältnis zum Metallwert der Glocken stehen, sich sogar über dem Metallwert befinden.
Aber trotz dieses Hindernisses, welches dem Kirchenvorstand eigentlich sehr recht kam, konnte nur das Reichsministerium unter Göring in Berlin endgültig über die Raußlitzer Glocken entscheiden. Somit zog sich das Verfahren von 1941 bis Anfang 1943 hin, bis die Entscheidung aus Berlin kam, dass die mittlere und die kleine Glocke abzuliefern sind. Dadurch hatte die Kirchgemeinde trotz der Abgabe den Vorzug vor anderen, die große Glocke behalten zu können. In anderen Fällen verblieb höchstens die kleine Glocke in der Gemeinde.
Am 08. Februar 1943 wurden die beiden abzuliefernden Glocken dann in Richtung Hamburg abgefahren. Dort wurden sie zunächst mit anderen der gleichen Kategorie in ein Sammellager abgestellt um sie je nach Bedarf zur Verhüttung abzurufen. Hinzuzufügen wäre, dass man, Gott sei es gedankt, die Glocken nicht einfach vom Turm schmiss, sondern sie im ganzen abgeben musste. Die große Glocke diente von nun an alleine für alle Vorkommnisse der Gemeinde. Nach vielen Bemühungen seitens des Pfarramtes konnte im Juli 1947 Gewissheit erhalten werden, dass sich die beiden Glocken noch im Sammellager des Hamburger Hafens befinden.
Dort warteten sie neben rund 16.000 anderen Glocken - sie waren aus Platzmangel teilweise übereinandergestapelt - wieder auf ihren Rücktransport in ihre Heimatgemeinden. Fast 43.000 deutsche Glocken sind während des 2. Weltkrieges Opfer der Rüstungsindustrie geworden!
Am Mittwoch, den 9. Juni 1948 wurden die mittlere und die kleine Glocke, zusammen mit 2 Glocken der Schwesternkirche Wendischbora, am Elbkai in Meißen wieder in Empfang genommen, nachdem sie auf dem Wasserweg der Elbe von Hamburg nach Meißen kamen. Gegen 23:00 Uhr trafen sie unter dem Geläut der großen Glocke und unter lebhafter Anteilnahme der Gemeinde in Raußlitz ein.
Vom 16. – 18. Juni erfolgte der Einbau der Glocken und am 20. Juni 1948 wurde das volle Geläut wieder in Gebrauch genommen. Die Kosten der Überführung von Hamburg nach Meißen und alle Einbaukosten musste nun die Kirchgemeinde aufbringen. Beim Abnehmen 5 Jahre zuvor tat dies noch die „Reichsstelle für Metalle“.
Ende 1954 fand sich kein Glöckner mehr, der den täglichen Dienst verrichten wollte. So entschloss man sich, elektrische Läuteanlagen anzuschaffen, was leichter gesagt als getan war, fehlte es doch selbst an Kleinigkeiten (neue Klöppel, Ketten usw.), die improvisiert werden mussten. Im November 1955 konnte der Einbau der Läutemaschinen beginnen, nachdem vom Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland drei Rollenketten eintrafen, ohne die kein Antrieb möglich gewesen wäre. Schon damals wurde eine Spendenaktion ins Leben gerufen, welche die Gesamtkosten in Höhe von ca. 5.500 DM unterstützte. Diese mit den Jahren altehrwürdig gewordene Technik tat ihren Dienst bis zum 30.10.2003.
An diesem Tag wurden die große und die mittlere Glocke vom Turm gehoben, um die ausgeschlagenen Anschlagstellen neu aufzuschweißen. Im Februar 2004 erfolgte der Einbau von drei Linearmotoren an den Glocken und die Ausbesserung und Erneuerung des Glockenstuhles.
Dach- und Turmsanierung 2020
Von außen sah das Kirchendach noch ganz passabel aus, von innen waren die Schäden aber deutlicher, denn durch zahllose Löcher und Spalte drang Sonnenlicht ins Innere. Die Dachziegel, vermutlich aus den 1930er Jahren, waren verschlissen, wie auch das Balkenwerk des Kirchenschiffes. Neben Holzschädlingsbefall und Vermorschung zeigten sich viele Stellen, wo Schwellen und Balkenverbinder fehlten, die dringend ersetzt werden mussten.
Der Turm, in Raußlitz als Dachreiter ausgelegt und somit engstens mit der Dachkonstruktion verbunden, wurde zwar erst in den 1970er Jahren erneuert, zeigte aber bereits deutliche Alterungserscheinungen und Reparaturbedarf. Daher wurde dieser in die Sanierung mit aufgenommen.
Dank der Unterstützung der Landeskirche Sachsen, Rücklagen der Kirchgemeinde und einem großen Spendenaufkommen konnte das Projekt realisiert werden, nachfolgend ein paar Eindrücke:
Die Kupferkapsel, welche sich seit 1979 in der Turmkugel befand, wurde unter großer Spannung vorsichtig aufgesägt. Die Handwerker hatten gute Arbeit geleistet, wasserdicht und bestens erhalten entnahmen wir Papiere, Münzen und viel Papiergeld aus der Inflationszeit der 1920er Jahre.